Open to Grace: Die Schönheit des Lebens erfahren
Wann hast du das letzte Mal gedacht, dein Leben könnte besser sein? Hast den Nachbar um das wunderschöne Haus mit Garten beneidet oder die Kollegin um die Beförderung und das höhere Gehalt, das sie jetzt sicher bekommt. Sogar beim Yoga kommt der Gedanke, dass es andere besser haben, wenn die Mattennachbarin sich in der Vorbeuge wie ein Schweizer Taschenmesser zusammenklappt und du selbst noch nicht mal an deine Füße kommst. Wenn sich unser Leben schwer anfühlt, schauen wir gerne zu anderen, denen es vermeintlich besser geht. Das macht unser Leben aber nicht einfacher. Open to Grace – das erste Prinzip des Anusara Yoga – ist ein philosophisches Konzept, das uns helfen kann, mehr in den Fluss des Lebens zu kommen.
Das Leben ist nicht perfekt
Kein Mensch führt ein perfektes, glückliches Leben, wie Hollywood es gerne kundtut. Polarität ist ein unabdingbares Prinzip des Universums. Gegensätze wie Tag und Nacht, gut und schlecht, glücklich und unglücklich bedingen sich einander. Eine Sache ist immer positiv oder negativ in Bezug auf eine andere. Dinge sind entweder im Gleichgewicht oder im Ungleichgewicht. Deshalb geht es im Konzept der Dualität um die Beziehung zwischen diesen gegensätzlichen Kräften. Wahre Harmonie entsteht in der Balance zwischen den gegensätzlichen Polen.
Die Leichtigkeit des Lebens erfahren
Sind wir nicht gut im Lot unseres Gleichgewichts ausgerichtet, wirkt die Schwerkraft auf uns und wir fühlen uns träge. Wenn die Gelenke mit Hilfe von Spiraldynamik gemäß der funktionellen Anatomie richtig übereinander gestapelt sind, hält unser Skelett uns mit einem minimalen Kraftaufwand aufrecht. So ausgerichtet im Ruhe-Gleichgewicht, wird das Gewicht des Körpers über Becken, Beine und Füße in den Boden geleitet, was uns einen Auftrieb nach oben gibt. Wir können unsere Muskuläre Hülle loslassen. Gleichzeitig haben wir ein Gefühl von innerer Stärke und Leichtigkeit, denn wir richten uns mit der Schwerkraft auf, ohne dagegen anzukämpfen. Das Skelett trägt sich von alleine mit einem Minimum an muskulärer Haltearbeit. Der Vater des Yoga Patanjali schreibt im Traditionstext Yoga Sutra, dass eine Stellung stabil und angenehm zugleich sein soll (sthira-sukham-asanam, Yoga Sutra 2.46), dann ist das Wohlbefinden am größten und der Geist weilt in meditativer Konzentration (YS 2.47).
Ein Gefühl von Leichtigkeit und Durchlässigkeit im Körper überträgt sich auf unseren Gemütszustand. Wir nehmen den Wechsel zwischen guten und schlechten Zeiten gelassener an. (Yoga Sutra 2.48: Gute Körperhaltung schenkt Widerstandsfähigkeit). Wir werden empfänglich für die Schönheit des Lebens. Wir fließen mit dem Leben, statt dagegen anzukämpfen. Dieses Gefühl wird im Yoga auch Samadhi genannt. Es ist die Bewusstseinserfahrung (Shiva), an dem dynamischen Schöpfungsprozess des Lebens (Shakti) teilzuhaben und ihn durch das eigene Da-Sein auszudrücken. Wir erkennen, dass die Kräfte, die das Universum geformt haben, auch uns geformt haben und ununterbrochen in uns wirken. So ermöglicht uns die Yogapraxis die tiefste Erfahrung des Lebens: die Seligkeit der Bewusstheit des eigenen Seins in Sanskrit „sat-chit-ananda“ genannt.
So erfährst du Open to Grace in deinem Körper: Nimm eine stabile Haltung ein. Werde mit der Einatmung weiter im Brustkorb und länger in der Wirbelsäule (Körperseiten lang), um mental empfänglicher für all die Möglichkeiten zu sein, die dir das Leben bietet. Mit der Ausatmung werde weicher im Herzen, Gesicht und Blick. Mit jedem bewussten Atemzug kommst du mehr und mehr in den Fluss des Lebens. Das macht dich nachsichtiger mit dir selbst und anderen. Du kannst das Leben annehmen, wie es ist.